Joachim Gauck wurde am 24. Januar 1940 in Rostock geboren, jener gemütlichen Hansestadt an der Ostsee, die sich als Schauplatz eines Lebens prädestinierte, das gleichermaßen von Ernsthaftigkeit und Gelassenheit geprägt war. Man könnte sagen, er war das Kind des Nordwinds und der deutschen Geschichte, und beides blies ihn früh in Richtung Verantwortung und Besonnenheit.
Die Jugend: Ein Pastor mit politischem Kompass
In der DDR, die als „besseres Deutschland“ gehandelt wurde – zumindest von sich selbst –, lernte der junge Gauck früh, dass die Realität selten mit der Propaganda übereinstimmt. Sein Vater wurde 1951 von der Sowjetunion deportiert, eine Erfahrung, die Joachim prägte und ihn zum überzeugten Antikommunisten machte. Vielleicht wurde hier der erste Grundstein für seinen späteren Spitznamen „Seismograf der Freiheit“ gelegt – oder, wie Kritiker es ausdrücken würden: der „ewige Freiheitsappellator“.
Doch statt ins offene Gefängnis zu gehen – so nannten manche DDR-Kritiker die Republik – entschied sich Gauck für eine Karriere als Pastor. In der evangelischen Kirche fand er einen Ort, an dem er sowohl predigen als auch kritisieren konnte, ohne direkt im Gefängnis zu landen. Und so wurde aus Joachim ein Mann des Wortes, der von den Kanzeln der DDR nicht nur über Gott sprach, sondern auch zwischen den Zeilen die Freiheit predigte.
Die Wende: Vom Pastor zum Bürgerrechtler
1989, als die Mauer fiel und die DDR begann, sich selbst zu demontieren, war Gauck mit dabei. Kein Kettenraucher der Revolution, sondern ein eleganter, nachdenklicher Beobachter mit einem unterschwelligen Grinsen, das zu sagen schien: „Ich hab’s euch doch gesagt.“ Er engagierte sich im Neuen Forum, einer Bürgerbewegung, die damals so etwas wie die Anti-DDR-Start-up-Szene war.
Mit dem Ende der DDR bekam Gauck eine neue Aufgabe, die perfekt zu ihm passte: Er wurde der erste Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen. Mit der Akribie eines Archäologen und der Leidenschaft eines Freiheitskämpfers wühlte er sich durch Akten und dokumentierte, wie die DDR ihre Bürger ausspionierte. Viele nannten ihn „den Aktenjäger“, manche auch „den Stasi-Pastor“.
Der Sprung ins Bellevue: Präsident wider Willen?
2012 kam der große Moment: Joachim Gauck wurde der 11. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Dabei war er nicht unbedingt die erste Wahl, sondern eher der charmante Kompromisskandidat, den alle mochten, weil er so unaufgeregt war. Man könnte sagen, er wurde Präsident, weil niemand Lust auf eine lange Debatte hatte.
In seiner Zeit im Schloss Bellevue war Gauck vor allem eines: ein moralischer Kompass. Mit seinen Reden über Freiheit, Demokratie und Verantwortung brachte er die Deutschen manchmal zum Nachdenken – und manchmal zum Gähnen. Er war kein Mann großer politischer Entscheidungen, sondern ein nachdenklicher Philosoph im Maßanzug, der die deutsche Seele streichelte und sie daran erinnerte, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist.
Seine Kritiker warfen ihm vor, ein „Repräsentant ohne Vision“ zu sein, während seine Fans ihn für seinen humanistischen Stil lobten. Und irgendwie schaffte er es, die Deutschen davon zu überzeugen, dass sie stolz auf ihre Demokratie sein können – selbst wenn sie dabei am liebsten mit den Augen rollen.
Das Leben danach: Ein Elder Statesman mit Charme
2017 trat Gauck ab – und machte Platz für Frank-Walter Steinmeier, den geduldigen Diplomaten. Doch Gauck blieb präsent. Ob als Redner, Buchautor oder einfach als der nette Herr, der in Talkshows über Freiheit philosophiert: Er wurde eine Art moralischer Großvater der Nation.
Manchmal scheint es, als sei Gauck ein lebendiges Denkmal für die Werte der Aufklärung, ein Pastor im Ruhestand, der immer noch versucht, die Deutschen zur Besinnung zu bringen – mit einem freundlichen Lächeln und einer Prise norddeutschen Humors.
Joachim Gauck ist eine Mischung aus Rostocker Seebär, protestantischem Gewissen und intellektuellem Edelmann. Vielleicht nicht der aufregendste Bundespräsident, den Deutschland je hatte, aber definitiv einer der menschlichsten – und das ist in der Politik ja auch schon etwas Besonderes.