Konrad Adenauer, auch bekannt als der „Alte aus Rhöndorf“, ist eine der prägenden Figuren der deutschen Nachkriegsgeschichte und zugleich eine Ikone politischer Beharrlichkeit. Geboren am 5. Januar 1876 in Köln, startete er seinen Lebensweg als katholisches Nesthäkchen und kämpfte sich durch die Untiefen des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und zweier Weltkriege, um schließlich Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden. Doch wer war dieser Mann wirklich? Ein Staatsmann mit steinernem Gesichtsausdruck oder ein heimlicher Kabarettist mit schwarzem Humor?

Ein Kölner Jung mit langem Atem

Adenauer wuchs in einer Zeit auf, in der die Pferde noch schneller waren als die meisten Automobile. Schon früh zeigte er Ambitionen, die über die Grenzen von Köln hinausgingen. Während andere Kinder mit Murmeln spielten, träumte der kleine Konrad davon, das Rheinland groß zu machen – vorzugsweise auf Kosten Preußens. Nach einem Jurastudium und ersten politischen Gehversuchen wurde er 1917 Oberbürgermeister von Köln. Dort zeigte er sich als Mann der Tat: Er baute Grünflächen, Brücken und eine Messe, vermutlich in der Hoffnung, dass der Rest Deutschlands eines Tages sagen würde: „Mensch, dieser Adenauer, der hat’s drauf!“

Doch dann kam die NS-Zeit. Adenauer, der sich mit den Nazis ungefähr so gut verstand wie ein Vegetarier mit einer Metzgerei, verlor sein Amt und zog sich ins Private zurück. Er überlebte die Jahre der Diktatur und zeigte dabei ein Talent, das ihm später als Kanzler zugutekommen sollte: Abwarten und nicht kleckern, sondern klotzen.

Vom Entstauber zum Kanzler

Nach dem Krieg schien Adenauers politische Karriere erst einmal am Ende zu sein. Doch der Mann, der sich mit über 70 für das politische Geschäft zu alt fühlte, wurde 1949 Kanzler – ein bisschen so, als hätte der FC Köln plötzlich das Champions-League-Finale erreicht. Als Vorsitzender der frisch gegründeten CDU führte er Deutschland durch die frühen Jahre der Bundesrepublik. Dabei gelang es ihm, ein Image zu kultivieren, das irgendwo zwischen autoritärer Vaterfigur und verschmitztem Großvater angesiedelt war.

Adenauer war ein Meister darin, politische Gegner mit einem einzigen trockenen Kommentar zu demontieren. Sein Humor war so subtil wie ein rheinischer Karnevalswitz: „Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont“, soll er einmal gesagt haben – vermutlich nachdem er mal wieder einen SPD-Politiker in Grund und Boden argumentiert hatte.

Der Architekt der Westbindung

Sein größtes Werk war wohl die Integration Deutschlands in den Westen. Unter Adenauers Führung trat Deutschland der NATO bei, und die Bundesrepublik wurde zum Motor der europäischen Einigung. Die Franzosen, die Adenauer erst skeptisch beäugt hatten, wurden durch seinen Charme und seinen Rheinwein besänftigt. Die deutsch-französische Freundschaft, symbolisiert durch seinen Händedruck mit Charles de Gaulle, war weniger ein spontaner Akt der Zuneigung als vielmehr eine geopolitische Zwangsehe – aber immerhin eine erfolgreiche.

Privates und Kurioses

Privat war Adenauer ein Mann der Tradition, aber nicht ohne Eigensinn. Er entwickelte eine Vorliebe für ungewöhnliche Erfindungen. So soll er an der Entwicklung der Sojawurst gearbeitet haben – vermutlich eine frühe Form dessen, was wir heute als Tofu kennen. Sein Anwesen in Rhöndorf war ein Refugium, das zugleich als Schaltzentrale diente. Hier empfing er Staatsgäste, trank Rheinwein und plante seinen nächsten politischen Coup.

Das Vermächtnis eines Dickschädels

Adenauer blieb bis 1963 Kanzler und bewies, dass man auch im hohen Alter noch politische Visionen haben kann – vorausgesetzt, man hat genug Dickköpfigkeit und einen passenden Zigarillovorrat. Seine berühmte Maxime „Keine Experimente!“ war mehr als ein Wahlkampfslogan: Sie war eine Lebensphilosophie. In einer Zeit des Wandels setzte er auf Kontinuität – und gewann.

Heute wird Adenauer oft als Vater des deutschen Wirtschaftswunders gefeiert, aber man könnte ihn genauso gut als Urvater des modernen Pragmatismus bezeichnen. Er war ein Mann, der wusste, wie man die kleinen Leute anspricht, während er mit den Großen Politik macht. Und wenn er heute noch leben würde, würde er vermutlich sagen: „Das Beste an der Demokratie ist, dass jeder mitmachen darf. Das Schlimmste ist, dass es auch alle tun.“

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